Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die europäische Bankenwirtschaft
Welche Auswirkungen hat die Covid-19-Pandemie auf die europäischen Banken? Im Rahmen einer mehrteiligen Studie beleuchtet FIRM die Auswirkungen.
FAZ berichtet exklusiv über Teil 2 der FIRM-Studie

Teil 2 der Studie beschäftigt sich mit den tatsächlichen Auswirkungen auf die Banken, die im Jahr 2020 beobachtet werden konnten. Im Fokus stehen die Risikovorsorge und Kapitalquoten; ergänzend werden betrachtet: die Insolvenzquoten, die Ausfallwahrschein-lichkeiten auf Branchenebene sowie die Wirksamkeit politischer Maßnahmen.
„Unsere Analysen zeigen, dass wir kurzfristig keine Banken- und auch keine Kreditkrise zu erwarten haben“, fasst FIRM-CEO Gerold Grasshoff die Ergebnisse zusammen. Herausfordernd für die Banken sind nach seiner Einschätzung die Langfristfolgen: „Die Pandemie stellt einige Banken vor zusätzliche Profitabilitätsherausforderungen. Dies verstärkt den Druck im ohnehin laufenden Strukturwandel zu mehr Digitalisierung – und die Notwendigkeit von weiteren Bankenzusammenschlüssen, um Kosten zu senken.“
Die zentralen Ergebnisse
Covid-19 führt auch 2021 zu weitreichenden Einschränkungen
Die zweite Welle der Pandemie führte in Deutschland und Europa zu weitreichenden Einschränkungen; die gesundheitlichen Auswirkungen waren schwerwiegender als dies seitens der Politik zunächst erwartet wurde. Mit der aktuellen dritten Welle ist mit weiteren Einschränkungen zu rechnen – mindestens, bis zur Impfung der Risikogruppen voraussichtlich im Juli
Europas Wirtschaft erholt sich langsam, China profitiert
Die Auswirkungen auf die Konjunktur wie auch die wirtschaftliche Erholung sind welt-weit stark unterschiedlich: Während China für 2021 ein BIP-Wachstum von 10% gegen-über 2019 erwartet, ist für die USA mit 1% bis 2% zu rechnen. In Europa stagniert das Wachstum, das BIP dürfte für 2021 um 3% bis 7% geringer ausfallen als 2019.
Risikovorsorge auf Niveau der Finanzkrise
In Reaktion auf die Krise haben europäische Banken ihre Risikovorsorge-Neubildung um einen Faktor von 2 bis 3 erhöht. Das absolute Niveau ist bereits mit dem der Finanzkrise vergleichbar (Deutschland ~35 vs. ~50 bps).
Banken mit stabiler Kapitalsituation
Trotz der hohen Risikovorsorge ist die Kapitalsituation der Banken aktuell stabil und der Abstand zu den regulatorischen Anforderungen ist ausreichend: Die RWA-Dichte 2020 reduzierte sich in Deutschland um 1% und in Europa um 3%. In Summe führte dies zu einer Verbesserung der CET1-Quote in Deutschland von 13,8% auf 13,9%, in Europa von 13,9% auf 14,7%, trotz Krisenjahr.
Insolvenzquote in Europa sinkt sogar – aber es ist mit Nachholeffekten zu rechnen
Insolvenzanmeldungen in Europa liegen signifikant unter den Vorjahreszahlen, begründet durch politische Moratorien und Wirtschaftsförderung in der Krise. Mittelfristig ist davon auszugehen, dass mindestens die entstandene Lücke gegenüber den zu erwartenden Insolvenzen geschlossen wird.
Ausfallwahrscheinlichkeiten in Deutschland kaum verändert
Die Ausfallwahrscheinlichkeiten der Millionenkredite in Deutschland weisen in Summe nur geringe Bewegungen von Q4 2019 zu Q4 2020 auf. Es zeigt sich jedoch eine erhebliche Spreizung der Branchen: Besonders betroffene Branchen (Automobilindustrie, Luftfahrt, Hotels und Tourismus) zeigen im 90%-Perzentil erste Verschlechterungen auf.
Staatliche Hilfsmaßnahmen schützen Unternehmen vor Liquiditätsengpässen
Die staatlichen Hilfsmaßnahmen wirken erfolgreich, da die Liquiditätssituation in der Wirtschaft gesichert ist und es bisher zu keinen breiten Ausfällen kam. Es gilt, diese Maßnahmen weiterhin konsequent zu nutzen, zu prüfen und auszuzahlen.
Verschlechterte Kapitalsituation der Unternehmen belastet Banken
Auch wenn staatliche Maßnahmen die Auswirkungen der Krise gemildert haben, sind die Verschuldungsquoten vieler Unternehmen gestiegen. Gepaart mit noch ausstehenden Insolvenzen und den weiteren Einschränkungen aus dem negativem Gesund-heitsszenario ist damit zu rechnen, dass sich die wirtschaftliche Lage mittel- bis langfristig eintrübt und auch die Banken belastet.
Fazit: Aktuell keine Banken- und Kreditkrise in Sicht, aber erhebliche Belastung der Profitabilität der Banken.
Kurzfristig ist aktuell keine Bankenkrise und auch keine Kreditkrise zu erwarten: Die Banken haben gut vorgesorgt, haben, auch durch Nutzung regulatorischer Erleichterung, in großen Teilen eine stabile Ausgangsposition und sind daher ein Anker in der Krise. Die mittel- und langfristigen Folgen der Krise werden einige Branchen und Länder stärker belasten; es ist mit einem Anstieg der Insolvenzen und Ausfälle zu rechnen. Die angespannte wirtschaftlichen Lage dürfte sich mittel- bis längerfristig auch auf die Banken auswirken und sie vor zusätzliche Profitabilitätsherausforderungen stellen. Dies wird den Veränderungs- und Konsolidierungsdruck in der Finanzbranche erhöhen.
Teil 1 der Studie stellt das Thema Risikovorsorge in den Fokus: Können europäische Banken der Realwirtschaft weiterhin das notwendige Kreditvolumen zur Verfügung stellen? Dies ist eine entscheidende Voraussetzung für den erwarteten Wirtschaftsaufschwung 2021.
Die erste Veröffentlichung trifft anhand einer Stresstestmodellierung Prognosen zur Ressourcenausstattung europäischer Banken. Wichtigste Treiber sind hierbei die Risikovorsorge und Kredit-RWAs.
Die zentralen Ergebnisse
- Zweite Infektionswelle erfasst Europa Die aktuellen Fallzahlen lassen keinen Zweifel, dass die zweite Infektionswelle in allen europäischen Ländern angekommen ist. Die Sterblichkeitsrate ist niedriger, es zeichnet sich noch keine flächendeckende Überlastung des Gesundheitssystems ab. Es ist jedoch mit einer Verschärfung der Situation mit potenziell negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft auszugehen.
- Zwei wirtschaftliche Szenarien betrachtet Abhängig von der Entwicklung der zweiten Welle ist im günstigen Fall ein U-Szenario mit kontinuierlicher Erholung bereits in Q4 2020 denkbar. Wird die Dynamik der Ausbreitung durch die eingeleiteten Maßnahmen nicht gestoppt, ist ein schwereres W-Szenario wahrscheinlich, mit einem erneutenRückgang der Wirtschaftsleistung und einer BIP-Reduktion in 2020 von circa 10% in Europa
- Risikovorsorgeneubildung bereits gestiegen In den Halbjahresbilanzen der Banken können materielle Anstiege der Risikovorsorge-neubildung um den Faktor zwei bis fünf im Vergleich zum Vorjahr festgestellt werden. Aufgrund der europaweiten Aussetzungen der Insolvenzanmeldepflicht und einem einhergehenden Rückgang der Insolvenzanmeldungen von bis zu 30 % im Vergleich zum Vorjahr stehen der Großteil der Insolvenzen und die damit verbundene Risiko-vorsorgeerhöhung allerdings noch bevor.
- Krisenauswirkungen stark branchenbedingt
Eine branchendifferenzierte Analyse der Auswirkungen von Covid-19 ist zwingend. Stark betroffen sind Branchen, die
1. akut durch Kontaktbeschränkungen beeinträchtigt sind, wie Tourismus, Luftfahrt
2. sich bereits vor Covid-19 im Strukturwandel befanden, wie Automobile oder ebenfalls Tourismus
- Banken als Teil der Lösung
Der Bankensektor wird in der Covid-19 Krise als Teil der Lösung gesehen und spielt eine essenzielle Rolle bei der Sicherstellung der weiteren Kreditversorgung der Realwirtschaft. Dies wird weiterhin entscheidend sein, um den zu erwartenden wirtschaftlichen Aufschwung zu unterstützen